„Komm mit, ich zeig dir was!“ flüsterte mir meine Cousine ins Ohr, schnappte mich bei der Hand und zerrte mich ins Schlafzimmer meiner Großeltern. Dort angekommen, deutete sie mit ihrer Hand auf den Tisch, der hinter der Türe stand. Auf diesem Tisch befanden sich mehrere riesengroße Keksdosen prall gefüllt mit allen Weihnachtskeksen, die man sich nur vorstellen kann. Meine Oma war ja immer schon eine Bäckerin und bereits Ende September, Anfang Oktober ging der Weihnachtsbäckereistress für sie los. Schließlich sollte ja alles bis zum 24. Dezember fertig sein. Meine Oma hat jedes Jahr so unsagbar viel gebacken, dass die Menge locker bis Ostern reichte – einmal das Weihnachtsbackbuch von vorne bis hinten durchbacken bitte, war scheinbar ihr Motto. Tagelang verbarrikadierte sie sich dafür regelrecht in der Küche – Eintritt strengstens verboten – und stellte mit viel Liebe alle Weihnachtskekse her, die man sich nur wünschen kann.
Ehrfürchtig standen wir nun vor diesen riesengroßen Keksdosen, eine größer als die andere. Wir öffneten eine nach der anderen, steckten unsere Nasen dabei tief in die Dosen rein, um jeden Geruch, jedes Aroma einzufangen und probierten von jeder Sorte mindestens ein Stück. Natürlich alles heimlich. Denn wären wir dabei von unserer Oma erwischt worden, hätte es womöglich eine riesen Standpauke gegeben, dass die Kekse für Weihnachten sind und wir nicht so viel naschen sollen! Damit verdirbt man sich ja den Appetit, ihr kennt das mit Sicherheit noch…
In jeder einzelnen Dose tummelten sich so viele verschiedene Kekssorten, die sich den Platz teilen mussten. Dann gab es allerdings noch diese eine Dose, DIE magische Dose. Was sich darin befand? NUR Vanillekipferl! Klein und perfekt gebogen! Bis oben hin! Ich schwöre euch, eine gefühlte Tonne Vanillekipferl, dass es wahrscheinlich für ein ganzes Jahr gereicht hätte.
Und weil meine Oma ja so viele Kekse hatte, wurde jedes Familienmitglied nach jedem Besuch zwangsbeglückt mit einer großen Ration. Die musste man nehmen, ob man wollte oder nicht. Es hätte sich ohnehin nie jemand getraut seine Portion abzulehnen, nachdem meine Oma beim Verabschieden schon mit dem Kekssackerl in der Hand bei der Türe wartete und mit viel Nachdruck „Das ist für dich! Nimm das mit!“ sagte. Das kam einem Befehl schon sehr nahe. Kam man ein zweites oder drittes Mal zu Besuch, wurde man auch ein zweites oder drittes Mal überhäuft mit Keksen.
Das ist jetzt nicht ganz 25 Jahre her. Aber ich erinnere mich noch daran, als wäre es gestern gewesen…
Vanillekipferl sind für mich so klassisch und gehören zu Weihnachten einfach dazu. Ich backe sie jedes Jahr, das ist unumstößlich. Weihnachten ohne Vanillekipferl ist für mich wie Geburtstag ohne Torte: nur halb so schön. Dieses Jahr war ich schon etwas spät dran, denn am besten schmecken sie, wenn sie 3 bis 4 Wochen lagern. Mein Rezept aus dem Buch Backen für Weihnachten ist ganz klassisch, keine Weltneuheit und echt gelingsicher. Aber eben weil es so klassisch ist, versetzt mich jeder Bissen zurück in meine Kindheit, als ich vor den Keksdosen stand und heimlich Kekse stibitzte.
Vanillekipferl
Zutaten
- 150 g geriebene Mandeln
- 150 g Mehl
- 100 g Zucker
- 150 g Butter Zimmertemperatur
- Mark 1 Vanilleschote
- 1 Ei
Anleitungen
- plus noch extra Staubzucker zum Bestäuben
- Aus allen Zutaten einen geschmeidigen, homogenen Teig kneten. In Frischhaltefolie wickeln und gut eine Stunde in den Kühlschrank legen.
- Nach der Kühlzeit den Backofen auf 180 Grad vorheizen.
- Den Teig zu einer etwa 2 cm dicken Rolle formen und fingerdicke Scheiben abschneiden. Diese dann zu Kipferl formen und auf ein mit Backpapier belegtes Backblech legen.
- Auf mittlerer Schiene etwa 11 bis 12 Minuten backen. Die Vanillekipferl sollen hell bleiben.
- Noch heiß mit Staubzucker bestreuen. Meine Oma schwört ja darauf jedes Kipferl einzeln im Zucker zu wälzen. Aber ich finde, es geht schneller, wenn man sie bestäubt.